Erinnerungen von Werner Selt

„Wir quetschten uns in einen Hühnerstall“

„Mitte der 70er Jahre gab es in Leutesdorf eine Fülle von Partykellern oder selbst organisierten Treffpunkten für Jugendliche. Der Keller, den meine älteren Brüder 1967 in der Kleinen Pützgasse aufgemacht hatten und der 1973 eröffnete große Gewölbekeller „Bei Pop-Fränz“ in der Kirchstraße waren dafür wohl eine wichtige Inspiration. Viel später war ich mal in einem verlassenen Keller, in dem schon in der ‚Frühzeit‘ von Beat und Rock Mitte der 60er viel losgewesen sein muss. Im früheren Haus der Familie Unzen in der August-Bungert-Allee, wo damals das Lokal „Rheinterrasse“ war. Den Schriftzug „Beatles“ konnte man noch erkennen.

Als meine Freunde und ich so 16, 17 Jahre alt waren, freuten wir uns die ganze Woche darauf, dass in einem der Keller wieder was los sein würde. Wir waren in der Lehre oder Schüler und hatten ja auch nur wenig Geld. Dafür haben wir uns aber viel Mühe gemacht, mit einfachsten Mitteln die Keller auszustatten und schön zu machen.

Wir feierten viel in einem Raum des Hauses der Familie Hess in der Krautsgasse. Der Vater meines Kumpels Hans-Jürgen Hess war Lehrer und ein toleranter Mann. Er hatte uns erlaubt, die frühere Waschküche entsprechend herzurichten. Da gab es dann Poster von Größen wie Udo Lindenberg, Sweet und Slade an der Wand und natürlich einen Plattenspieler. Mit dem konnte man immerhin so viel Krach machen, dass es auch mal Ärger mit der Nachbarschaft oder Vater Hess gab. Aber ernste Probleme gab es nie. Uwe Hoffmann und Dietmar Wilsberg gehörten da zur engsten Clique. Außerdem erinnere mich an Hans-Jürgens Geschwister Sylvia und Raimund, an Jürgen „Baumi“ Baum, Ralf „Shilo“ Wilsberg, Peter „Pittsche“ Joras, Wolfgang „Piff“ Weber, Bernd Frank, Bernd Brunner, Karl-Heinz Kobert, Beate Pohl, Jutta Pohl, Gabi Mehren, Susanne Gützkow, Dagmar „Dagi“ Weber, Ulrike Syré und Jutta Bandt.

Unvergessen ist auch der „Hühnerstall“ in der Kleinen Pützgasse, im Hof der Familie Wilsberg, der heute zum Weingut Ockenfels gehört. Ein Verschlag mit vielleicht zwei mal drei Metern Grundfläche. Höchstens acht bis zehn Leute konnte man da mit Mühe reinquetschen, wir waren aber immer ungefähr doppelt so viele. Das heißt, die halbe Truppe musste draußen rumstehen und dann wurden ab und zu die Plätze getauscht. Wir wollten zur Musik unbedingt eine Lichtorgel, die wir uns natürlich nicht leisten konnten. Also baute Dietmar, der Elektriker lernte, mit alten Startern von Leuchtstoffröhren eine abenteuerliche Konstruktion. Die bewirkte, dass bunte Glühbirnen an- und ausgingen – zwar nicht im Rhythmus der Musik, aber immerhin.

Irgendwann hatten wir in der Pflänzergasse Zugang zu einem alten Keller in dem Haus, in dem später die Kneipe „Alt Leutesdorf“ war. Der Keller hatte nur einen Lehmboden und war feucht, aber das hat uns nicht gestört. Wir nagelten aus Brettern eine Theke zusammen und schafften Sofas vom Sperrmüll rein. Wenn wir feiern wollten, kehrten wir erst mit einem groben Besen den Schimmel von den Sofas weg. Es hat der Stimmung keinen Abbruch getan.

Klasse war auch der große Keller, den Uwe, Wolfgang „Piff“ Weber und Werner Lohnert im Häuschen der Hoffmanns in der Kleinen Pützgasse ausbauten. Dessen Highlight waren vier alte Autoreifen, die an Ketten montiert waagrecht von der Decke hingen. Das waren die Sitzgelegenheiten für die Theke. Die Einrichtung einer Disco namens „Schaukelkeller“ in Uckerath an der Sieg, die es übrigens heute noch gibt, war dafür das Vorbild. Später baute Uwe die Theke aus und nahm sie mit zur Bundeswehr. Da kam sie dann in einem Freizeitraum wieder zum Einsatz. Das verstand man damals unter Nachhaltigkeit.

Dann gab es auch noch den Partykeller bei der Familie Piovesan in der Großen Fischgasse. Da erinnere ich mich noch an eine sehr ausgelassene Karnevalsparty.

1977/ 78, als wir ungefähr 18 oder 19 Jahre alt waren, ging die große Zeit unserer Partykeller allmählich zu Ende. Man hatte eine feste Freundin bzw. einen Freund, war im Beruf angekommen oder bei der Bundeswehr. Da standen dann andere Interessen im Vordergrund.“