Erinnerungen von Georg Winkens
„Unser größtes Thema war: Wie kriegen wir die Mädchen?“


Mitte/Ende der 60er Jahre betrieb mein älterer Bruder Gerd einen Partykeller in unserem Elternhaus in der Leutesdorfer Kolpingstraße. Anfang der 70er Jahre war daraus wieder ein Abstellraum geworden. 1972 begann dann ich mit ersten Renovierungs- und Ausbauarbeiten. Zunächst stand der Spaß am Basteln und Gestalten im Vordergrund.
So „plünderte“ ich zum Beispiel die Modelleisenbahn, weil ich Trafo, Schalter, Glühlämpchen und Kabel für meine “Lightshow” im Partykeller brauchte. Herzstück der Lichtanlage war eine ausrangierte Telefonanlage, die damals noch hauptsächlich mechanisch arbeitete. Da sie in Betrieb ziemlich laut war, wurde sie nebenan im Kartoffelkeller platziert. Unser Nachbar hörte das abendliche laute Tackern durch die Mauer, hielt es für einen Schaden an seiner Heizung und beauftragte tatsächlich einen Techniker, die Ursache zu ermitteln.
Ein Jahr später, 1973, nahm der Ausbau des Kellers dann Fahrt auf, weil mir einige Freunde tatkräftig halfen. Die Materialien für Theke und Sitzbänke überließen uns ein Schreiner und ein Polsterer aus meiner Verwandtschaft. Mein Vater brachte großformatige Papierbögen aus der Neuwieder Couvertfabrik mit, die ich mit schwarzen Tuschezeichnungen in Che-Guevara- und Jimi-Hendrix-Poster verwandelte.
Anfangs trafen wir uns im Keller abends mit der Clique, um Musik zu hören, zu trinken, Karten zu spielen und zu reden. Zur Clique gehörten damals Tilo Anschütz, Gerd Dinter, Horst Birkenbach, Wolfgang Heinz, Klaus Mertesacker, Johannes Emmerich und Hermann Wittig, der leider schon 2014 verstorben ist. Später kamen dann die ersten samstäglichen Partys mit geladenen Gästen hinzu. Es gab wenige große, offene Feten, zu denen dann auch die Partyszene aus dem ganzen Dorf kam. Ein Highlight war eine Feier mit englischen Austauschschülerinnen und –schülern aus Norwich, die in Leutesdorf untergebracht waren, einer der Schüler auch bei uns. Ich glaube, das war 1973.
Wenn es zur fortgeschrittenen Stunde zu laut wurde, stand auch schon mal der Emil – mein Vater -, im Schlafanzug im Raum und forderte, dass wir endlich Schluss machen sollten. Aus heutiger Sicht bin ich jedoch von der Toleranz meiner Eltern beeindruckt. Denn nicht nur die Lautstärke der Musik und der Gäste, sondern auch die rege Benutzung der Toilette oben in unserer Wohnung muss schon ziemlich störend gewesen sein.
Allerdings nutzte nicht jeder die Toilette. Für die Jungs war es bequemer, vom Keller aus in den Garten zu gehen und sich dort zu erleichtern. Das bekam einigen frisch gepflanzten Nadelbäumchen gar nicht gut und so wechselten sie ihre Farbe schnell von Grün zu Braun. Als sich dann auch noch Beschwerden aus der Nachbarschaft häuften, duldete mein Vater keine größeren Partys mehr.
Aber die Partykellerszene in unserer Ecke, der „Siedlung“, hatte ja noch zwei weitere Keller, in denen gefeiert werden konnte: zunächst gegenüber von uns bei Klaus Mertesacker und später auch bei Helmut Broß. Übrigens gab es im ganzen Dorf zu dieser Zeit ein Überangebot an Partykellern. Damit wurde eine Frage immer wichtiger: Wie kriegen wir die Mädchen zu UNSEREN Partys? Und wie schaffen wir es, dass sie nicht lieber zu einer anderen Feier gehen? Unser größter Konkurrent im Wettbewerb um die attraktivsten Mädchen war eine Zeitlang Friedhelm Protz mit seinem Keller an der Hauptstraße.
Die Aktivitäten in meinem Partykeller in der Kolpingstraße liefen im Jahr 75 so langsam aus. Das hing damit zusammen, dass inzwischen fast jeder aus meinem Freundeskreis den Führerschein hatte und samstags eher die Discos in der Umgebung angefahren wurden. Außerdem hatte sich inzwischen der Keller „Bei Pop-Fränz“ in der Kirchstraße voll etabliert. Dort stiegen größere, offene Partys, wo wirklich mehr „abging“, als in meinem kleinen Keller je möglich gewesen wäre.
Als ich 1976 schließlich zum Studieren nach Berlin zog, war die Leutesdorfer Partyszene für mich endgültig Geschichte. Ich denke jedoch gern an sie zurück und einige Feten sind einfach unvergesslich.